Blog der Akademie für Traditionelle Astrologie

Wohltäter und Übeltäter in der Astrologie: Warum kein Planet nur gut oder schlecht ist

Saturn - Fresko aus Pompeji, 1. Jh. n. Chr.
Saturn galt als Übeltäter und wurde daher in der Antike selten abgebildet. (Fresko aus Pompeji, 1.Jh. n. Chr.)

In der hellenistischen Astrologie war es selbstverständlich: Jeder Planet musste eindeutig eingeordnet werden – als Wohltäter oder als Übeltäter. Diese klare Einteilung wirkt heute für viele moderne Astrolog*innen befremdlich, denn sie widerspricht dem Anspruch, immer nur konstruktiv und ermutigend zu beraten. Doch gerade hier verbirgt sich ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis der Planetenkräfte – und bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass diese Einteilung weitaus differenzierter ist, als man zunächst vermuten würde. 

Bei genauer Betrachtung ist das Konzept wie immer in der traditionellen Astrologie erst einmal sehr klar, auf den zweiten Blick aber auch erstaunlich differenziert und komplex. Planeten haben eine Aufgabe, und wie sie diese erfüllen, hängt zunächst einmal davon ab, ob sie als Wohltäter oder als Übeltäter eingestuft werden. 

Alle Planeten symbolisieren eine Kraft und erfüllen eine notwendige Funktion im Horoskop. Manche dieser Kräfte unterstützen und fördern das Leben, wir empfinden sie als angenehm. Dazu gehören vor allem Venus und Jupiter, die klassischen Wohltäter. Andere Kräfte wirken eher trennend, hemmend oder destabilisierend. Sie erschweren den Lebensfluss und bringen uns mit Widerständen in Berührung. Zu ihnen zählen in erster Linie Mars und Saturn, die traditionellen "natürlichen" Übeltäter. Die Urqualität des Mars gilt der Überlieferung nach als „heiß“ und „trocken“. Dadurch wirkt er trennend, provozierend und aggressiv. Saturn dagegen gilt als „kalt“ und „trocken“ – er ist begrenzend, verlangsamend und hemmt die Lebenskraft.

Sonderfälle: Sonne, Mond und Merkur

Schon die antiken Astrologen wussten, dass kein Planet ausschließlich gut oder ausschließlich schlecht wirkt, und sie betonten das kontinuierlich. Besonders deutlich wird das bei Sonne, Mond und Merkur: Die Sonne wärmt zwar und unterstützt damit das Prinzip des Lebens, aber zugleich kann sie andere Planeten durch ihre Nähe schwächen ("verbrennen") und wird daher in gewissem Maß ebenfalls als Übeltäter betrachtet. Der Mond dagegen galt in der griechischen Tradition grundsätzlich als "feuchtendes" Prinzip, das nährend wirkt, und damit als Wohltäter. Erst in späteren Überlieferungen – besonders in der indischen und der mittelalterlich-arabischen Astrologie – wurde auch seine jeweilige Phase stärker berücksichtigt: sichtbar und hell galt er als kraftvoll und günstig, unsichtbar in der Neumondphase dagegen als schwach oder hinderlich. Merkur schließlich ist der Inbegriff der Wandelbarkeit: Er passt sich den Planeten an, mit denen er verbunden ist, und kann je nach Konstellation zum Wohltäter oder zum Übeltäter werden. Gerade an diesen drei „Sonderfällen“ wird deutlich, dass die Einteilung in Wohltäter und Übeltäter nie starr oder absolut verstanden werden darf.

Warum Wohltäter oder Übeltäter keine absoluten Kategorien sind

Auch bei den anderen Planeten entscheidet letztlich ihre konkrete Stellung im Horoskop über ihre Wirkung: ob sie stark oder schwach stehen, in einem günstigen oder schwierigen Haus wirken, oder durch Aspekte gestützt oder belastet werden. Die Einteilung der Planeten in sogenannte "natürliche" Wohl- oder Übeltäter gibt also nur eine grundsätzliche Tendenz an, die durch das jeweilige kosmische Umfeld entscheidend modifiziert wird. Schon die Quellen der Antike, etwa Vettius Valens (2. Jh. n. Chr.), machten deutlich, dass die Wirksamkeit eines Planeten immer von seiner Stellung, seinen Aspekten und seinem kosmischen Umfeld abhängt. Das betonten die antiken Autoren bei jeder Gelegenheit. Kein Himmelskörper ist absolut "gut" oder "schlecht", jeder kann je nach Situation förderlich oder hinderlich wirken. Saturn etwa war in Mythen auch der Herrscher einer „goldenen Zeit“. Valens betont, dass er, wenn er im Domizil und einem günstigem Haus steht, auch hohe Ämter und Ehren bringt. Ebenso können Jupiter und Venus bei schwieriger Stellung in Zeichen und Haus und bei harter Aspektierung zu Verschwendung oder Trägheit führen.

Moderne vs. traditionelle Astrologie

Die moderne Astrologie vermeidet diese klaren Wertungen und festlegenden Deutungen. Stattdessen betont sie Potenziale und Möglichkeiten: „Dies ist dein Potenzial, und dies sind deine Schwächen – so kannst du sie konstruktiv nutzen.“ Das wirkt ermutigend, spendet Hoffnung und ist damit im Prinzip auch grundsätzlich wünschenswert. Doch dieser Ansatz unterscheidet sich deutlich von der traditionellen Sichtweise, die nicht in erster Linie Potenziale beschreibt, sondern klare Aussagen über förderliche oder schwierige Konstellationen macht: Ein Mars in schlechter Stellung ist nicht bloß „Potenzial für Durchsetzungskraft“, sondern in erster Linie eine Quelle von Schwierigkeiten – sowohl durch äußere Herausforderungen als auch durch innere Konflikte. Der Umgang mit Wut, Aggression und destruktiven Impulsen verlangt hier besondere Aufmerksamkeit und Besonnenheit. Erst wenn dies gemeistert ist, dann kann sich auch die positive Seite des Mars, seine souveräne Durchsetzungskraft, entfalten.
Die Kunst besteht darin, diese klare Aussage mit Fingerspitzengefühl in die Beratung zu übertragen.

Fazit

Die Unterscheidung von Wohltätern und Übeltätern ist kein starres Schwarz-Weiß-Schema, sondern ein Werkzeug, um die Kräfte im Horoskop präziser zu erfassen. Sie hilft, Chancen und Herausforderungen klar zu benennen und zugleich deren Vielschichtigkeit zu würdigen. Wer traditionelles Wissen mit einer sensiblen Beratungspraxis verbindet, kann Ratsuchenden Orientierung geben – ohne sie zu entmutigen, sondern mit der Klarheit, die ihnen wirklich weiterhilft.

 

 

 

 

 

 

Astrologie: Ausbildung

DAV Logo Ausbildungszentrum

Birgit von Borstel

Kursleitung:

DAV-geprüfte Astrologin, studierte Philosophie, Psychologie und Musikwissenschaft in Hamburg. Zunächst in der Musikbranche im Marketing tätig, absolvierte sie nebenberuflich von 1999 bis 2002 eine Ausbildung in psychologischer Astrologie. Es folgten Weiterbildungen in traditioneller Astrologie. Seit 2006 arbeitet sie als Berufsastrologin in Berlin, ist als Heilpraktikerin für Psychotherapie qualifiziert und war 2011 bis 2021 in der DAV-Prüfungskommission. Seit 2007 unterrichtet sie Astrologie, 2023 gründete sie die Online-Akademie für Traditionelle Astrologie. Die hier angebotene Ausbildung ist seit 2022 DAV-zertifiziert. Aktuell studiert sie Geschichte und Religionswissenschaften mit Schwerpunkt Astrologiegeschichte.

Anmeldung und Kontakt:

Birgit von Borstel
Traditionelle Astrologie

Meyerheimstraße 3
10439 Berlin

Tel.: 030-3156 9812
info@birgitvonborstel.de

Astrologische Beratung mit Traditioneller Astrologie

Neben meinen Kursen kannst du auch eine astrologische Beratung bei mir buchen. Mehr Infos und die Terminvereinbarung findest du hier:
Beratungen - Birgit von Borstel

www.birgitvonborstel.de