Blog der Akademie für Traditionelle Astrologie

Astrologie im Mittelalter - Von Aberglauben zur Wissenschaft der Sterne

Schon im Mittelalter rangen Gelehrte, Theologen und einfache Menschen um die Frage: Was verraten uns die Sterne über unser Leben? Während die Kirche die Astrologie oft als gefährlichen Aberglauben bekämpfte, sahen andere in ihr eine ernsthafte Wissenschaft, die Natur und Schicksal erklären konnte. Zwischen Misstrauen und Faszination entstand ein spannendes Kapitel europäischer Geistesgeschichte.

Vom Verdacht des Dämonischen zur Unterscheidung von Magie und Astrologie

Viele Kirchenväter sahen die Sternenkunde mit Misstrauen und verurteilten sie als dämonisch inspiriert. Augustinus warnte: Wer den Sternen zu viel Macht zuschreibt, leugnet den freien Willen. Rabanus Maurus setzte die Astrologie sogar mit dämonischer Magie gleich. Im Gegensatz dazu betonten Denker wie Voltaire (viel später) den Unterschied zwischen Magie und Astrologie: Während Magie mit Analogien und Ritualen arbeitete, suchte die Astrologie nach kausalen Zusammenhängen zwischen Himmelskörpern und der irdischen Welt.

Mittelalterliches Tierkreisdiagramm
(aus einem engl. Lehrbuch für Mönche, 12. Jh. Quelle: The Public Domain Review)

Der Aufschwung im 12. Jahrhundert

Im 12. Jahrhundert änderte sich das Bild grundlegend. In den Übersetzerschulen von Orten wie Toledo gelangten zentrale Texte der Antike und des arabischen Mittelalters aus dem Arabischen ins Lateinische. Darunter war Ptolemaios’ Quadripartitum (auch bekannt als Tetrabiblos): Sein Werk war zwar in der Spätantike bekannt, im lateinischen Westen aber weitgehend verloren gegangen. Nun kehrte es – vermittelt über arabische Übersetzungen und Kommentare – in die Gelehrtenwelt zurück. Ebenso wichtig waren die Schriften des persischen Astrologen Albumasar (Abū Maʿshar), die erstmals ins Lateinische übertragen wurden.
In dieser Zeit entstanden auch die ersten Universitäten Europas, etwa in Bologna, Paris oder Oxford. Mit ihnen wurde ein neuer Rahmen für das gelehrte Wissen geschaffen. Hier fand die Astrologie ihren Platz als eine der sieben freien Künste, eingebettet in die aristotelische Naturphilosophie. So wanderte sie aus dem Schatten der Verdammung an die Universitäten – und gewann dort den Status einer „scientia naturalis“, einer anerkannten Naturwissenschaft, gleichrangig neben Medizin und Astronomie.

Albertus Magnus, Roger Bacon und Thomas von Aquin

Albertus Magnus, einer der wichtigsten Gelehrten des 13. Jahrhunderts, war stark von Aristoteles geprägt und gilt als einer der großen Vermittler des Aristotelismus im lateinischen Westen. In seiner Naturphilosophie übernahm er die Vorstellung, dass die Bewegungen der Himmelskörper natürliche Ursachen haben und auf die Welt unterhalb des Mondes einwirken. Damit machte er die Astrologie zu einem festen Bestandteil des wissenschaftlichen Lehrplans: Sie erklärte Klima, Jahreszeiten oder die Eigenschaften von Pflanzen und Mineralien – ganz im Sinne der aristotelischen Kausalität.

Sein Zeitgenosse Roger Bacon (ca. 1214–1292), ein englischer Franziskanermönch, griff die von Isidor von Sevilla eingeführte Unterscheidung zwischen einer natürlichen und einer abergläubischen Astrologie auf. Diese hatte Isidor in seiner Enzyklopädie Etymologiae geprägt und damit das Verhältnis der Kirche zur Astrologie über Jahrhunderte bestimmt: astrologia naturalis – also die Beobachtung himmlischer Einflüsse auf Wetter, Medizin und Landwirtschaft – war erlaubt, während astrologia superstitiosa – etwa die Deutung der Persönlichkeit oder die Vorhersage individueller Schicksale – als Aberglauben galt. Bacon ging jedoch weit über Isidor hinaus – für ihn war die natürliche Astrologie nicht nur nützlich, sondern unverzichtbar. Mit ihrem Wissen könne man Wetter und Ernte besser verstehen, politische Entscheidungen beraten und sogar religiöse Entwicklungen deuten.

Auch Thomas von Aquin (1225–1274) lebte in diesem geistigen Umfeld. Er sicherte der Astrologie einen Platz im christlichen Weltbild. Zwar bestritt er, dass die Sterne den freien Willen bestimmten, doch er akzeptierte ihre Wirkung auf Körper und Seele. Entscheidend war seine Deutung der Himmelsbewegungen: Nicht die Gestirne selbst besaßen göttliche Macht, sondern sie wurden von Engeln bewegt – Dienern des göttlichen Willens. Damit entzog er der alten Anklage des Götzendienstes – der Verehrung falscher Götter, zu denen auch Sonne, Mond und Sterne gezählt wurden – die Grundlage und machte die Astrologie theologisch akzeptabel. Sie wurde so nicht länger als heidnische Sternenverehrung betrachtet, sondern als Teil der Schöpfungsordnung Gottes.

Albertus Magnus, Fresko (1352) in Treviso, Italien:
Bischof und Befürworter der Astrologie

Astrologie im mittelalterlichen Alltag

Neben den großen philosophischen Debatten spielte die Astrologie auch im Alltag eine wichtige Rolle – wenn auch in begrenzter Form. Da es den Buchdruck noch nicht gab und die meisten Menschen ohnehin weder lesen noch schreiben konnten, waren astrologische Handbücher selten. Sie wurden mühsam von Hand gefertigt, waren sehr teuer und daher fast ausschließlich für Spezialisten wie Ärzte, Gelehrte oder den Klerus bestimmt. Viele dieser Handschriften entstanden in Klöstern, wo sie als Lehrmaterial für Mönche dienten, die die astrologia naturalis anwenden durften – also die Lehre von den Einflüssen der Gestirne auf Natur, Medizin und Jahreszeiten.

Ein Bauer griff also nicht selbst zum Liber astronomiae des Guido Bonatti (13. Jh.), sondern wandte sich, wenn er es sich leisten konnte, an kundige Astrologen oder an den Dorfpfarrer oder Arzt, die astrologisches Wissen mit einbezogen. Für Ärzte war es selbstverständlich, günstige Zeitpunkte für Behandlungen oder Operationen astrologisch zu bestimmen; Fürsten ließen Kriegszüge und politische Entscheidungen durch Hofastrologen berechnen.
Die meisten Ratsuchenden interessierten sich dabei nicht für eine umfassende Deutung ihres Lebenswegs anhand des Geburtshoroskops, sondern stellten konkrete Fragen zu aktuellen Problemen oder Entscheidungen. Hier zeigt sich ein deutlicher Unterschied zur modernen Astrologie, die stärker auf Selbsterkenntnis und Persönlichkeitsentwicklung ausgerichtet ist.

So blieb Astrologie im Mittelalter einerseits ein hoch spezialisiertes Fach, andererseits prägte sie durch diese Experten auch den Alltag vieler Menschen. Der direkte Zugang war dabei meist dem Adel und dem wohlhabenden Bürgertum vorbehalten, während die Landbevölkerung höchstens indirekt über kirchliche oder medizinische Vermittler mit astrologischem Wissen in Berührung kam.

 

Bild

Das Diagramm oben zeigt, wie sich die sieben damals bekannten Himmelskörper – Sonne, Mond und die fünf Planeten – durch den Tierkreis bewegen. Links stehen ihre Namen, oben die Tierkreiszeichen. Liest man die Grafik von links nach rechts, kann man verfolgen, welchen Weg jeder Himmelskörper nimmt und wie unterschiedlich lange er braucht, um den ganzen Tierkreis zu durchlaufen. Am unteren Rand sind außerdem die Abstände der Planeten vermerkt: einmal in musikalischen Intervallen wie Ton und Halbton, zum anderen als Bruchteile der Entfernung zwischen Erde und Mond. (Quelle: The Public Domain Review)

Astrologie: Ausbildung

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Birgit von Borstel

Kursleitung:

DAV-geprüfte Astrologin, studierte Philosophie, Psychologie und Musikwissenschaft in Hamburg. Zunächst in der Musikbranche im Marketing tätig, absolvierte sie nebenberuflich von 1999 bis 2002 eine Ausbildung in psychologischer Astrologie. Es folgten Weiterbildungen in traditioneller Astrologie. Seit 2006 arbeitet sie als Berufsastrologin in Berlin, ist als Heilpraktikerin für Psychotherapie qualifiziert und war 2011 bis 2021 in der DAV-Prüfungskommission. Seit 2007 unterrichtet sie Astrologie, 2023 gründete sie die Online-Akademie für Traditionelle Astrologie. Die hier angebotene Ausbildung ist seit 2022 DAV-zertifiziert. Aktuell studiert sie Geschichte und Religionswissenschaften mit Schwerpunkt Astrologiegeschichte.

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Birgit von Borstel
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Tel.: 030-3156 9812
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